Die Beraterdemokratie

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Politik, haben wir bisher immer geglaubt, ist ein Geschäft, das von Politikern gemacht wird. Doch weil Politiker nicht alles wissen und alles können können, müssen sie Berater haben. Dazu sind in den Regierungen und Ministerien große, qualifizierte Beamtenapparate da, für das Parlament steht ein Heer fest angestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Verfügung. Wie sich allerdings schon seit einiger Zeit erweist und jetzt mit aller Deutlichkeit herausstellt, scheint das aber nicht auszureichen. Offenbar mangelt es den bisherigen Beraterstäben vor allem in den Bundesministerien an Personal oder an Kompetenz oder an beidem. Deshalb greifen sie in immer größerem Umfang auf externe Berater zurück, zum Beispiel auf die Topmanagement-Berater-Agentur McKinsey. Die kosten zwar einen gewaltigen Haufen Geld, versprechen dafür aber eine größere Effizienz.

Wie das im Einzelnen vor sich geht und welcher Art diese Effizienz ist, wird man jetzt im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre im Bundesverteidigungsministerium verfolgen können. Da wird zum Beispiel die Ex-Staatssekretärin Katrin Suder aussagen müssen. Was sie bisher verweigerte. Denn offenbar sollte die Art und Weise, wie die Verteidigungsministerin sie von McKinsey in ihr Ministerium holte, nicht publik werden. Ebenso wenig wie die Effizienz, die sie auf ihrem Posten entfaltete. Bekannt ist nur, dass sie inzwischen davon zurücktrat und die Bundeswehr immer noch nur bedingt einsatzfähig ist.

Ebenso bekannt ist dank der Ermittlungen des Bundesrechnungshofes jetzt schon, dass das Verteidigungsministerium zur Beute externer Beraterfirmen geworden ist. Man habe, so brüstete sich etwa Timo Noetzel, der Chef der Beraterfirma Accenture in einem internen Firmenblog, erfolgreich einen „Brückenkopf“ ganz oben im Verteidigungsministerium errichtet. Ein in der Abteilung Planung des Verteidigungsministeriums tätiger General, berichtet der Spiegel, sei der Patenonkel von Timo Noetzels Kindern. Im Jahr 2018 betrug das Auftragsvolumen der Beraterfirma Accenture im Verteidigungsministerium 20 Millionen Euro.

Sieht man einmal vom ganz speziellen Fall des Verteidigungsministeriums und der offenbar darin neben allgemeiner Unfähigkeit obwaltenden Vetternwirtschaft und Korruption ab. Und sieht man auch von der ungeheuren Verschwendung ab, die mit dem Engagement externer „Experten“ verbunden ist: Der Untersuchungsausschuss wird am Ende die Frage aufwerfen müssen, in welche Gefahr dieses Beraterunwesen in Regierung und Ministerien die Demokratie in Deutschland bringt. Denn zum einen liefert sich die Politik einem Expertenwissen aus, das nur an ökonomischer Effizienz, nicht aber an der Transparenz von Politik- und Verwaltungsabläufen interessiert ist. Zum anderen befördert es einen autokratischen Herrschaftsstil: Mit dem Verweis auf „neutrale“ Experten machen sich die politischen Entscheidungsträger unabhängig vom demokratischen Procedere und können auf die „Sachzwänge“ verweisen.

Wie wenig bewusst der Verteidigungsministerin die Dimension und die Brisanz der von ihr mit heraufbeschworenen Berateraffäre ist, zeigt ihre Reaktion auf den Untersuchungsausschuss: Für 80.000 Euro stellt sie den als Zeugen aufgerufenen Mitarbeitern ihre Ministeriums externe juristische Berater zur Seite.

WDR 3 Mosaik 22. März 2019