Mein Name sei Mohammed

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Der Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli wurde am vergangenen Wochenende für ca 24 Stunden ihr Twitter-Account gesperrt. Der Grund: Sie hatte in einem tweet auf die Nachricht reagiert, dass Mohammed im Jahr 2018 der beliebteste männliche Erstname in Berlin war. Da die AfD dies als ein Indiz für die „Islamisierung Deutschlands“ ansah, twitterte Chebli, deren Eltern aus dem Libanon stammen und die selbst den Vornamen Mohammed trägt, trotzig: „Wir werden schon dafür sorgen, dass dieser Name niemals verschwindet.“ Ob ihr daraufhin aufgrund einer Beschwerde der AfD hin der Account gesperrt wurde ist unklar. Twitter hat dazu (bisher) keine Stellungnahme abgegeben.

Dass der Name eine Identitätsstiftende Rolle spielt, wissen die Älteren seit Max Frischs Roman „Mein Name sei Gantenbein“ von 1964. Die Jüngeren konnten das Problem im letzten Jahr in Sönke Wortmanns sich „Komödie“ nennenden Film „Der Vorname“ erahnen: Wer als Kind heute den Vornamen Adolf trüge, wäre – derzeit jedenfalls noch – zu einer krassen Außenseiterexistenz bei den „Reichsbürgern“ oder „Identitären“ verurteilt. Etwas anders, aber auch nicht viel besser ging es vor zehn, fünfzehn Jahren den Kevins und den Chantals. Wer so heiße, ergab damals eine Umfrage unter Lehrern,  sei wenig gebildet und verhaltensauffällig: Kevin sei kein Name sondern eine Diagnose.

Und was ist mit Mohammed? Natürlich lässt sich auch aus diesem Namen eine Diagnose ableiten. Als die Gesellschaft für deutsche Sprache vor ein paar Tagen ihre alljährliche Statistik der beliebtesten Erstnamen für Babys veröffentlichte, übertraf sich die Berliner Boulevardpresse in der Vergabe von Ausrufezeichen: Mohammed in Berlin beliebtester Erstname. Ausrufezeichen. Jedes Ausrufezeichen las sich wie ein Menetekel. Für sensible Diagnostiker des Zeitgeschehens wie Alice Weidel von der AfD jedenfalls ergab sich daraus sofort die logische Schlussfolgerung, dass Deutschland komplett islamisiert ist und die „Unterwerfung“ der Republik unter die Scharia kurz bevorsteht.

Diese AfD-Diagnose bewog die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli dazu, ihr mit der Twitter-Ankündigung zu trotzen: „Wir werden schon dafür sorgen, dass der Name Mohammed nie verschwindet.“ Dass daraufhin ihr Twitter-Account gesperrt wurde, ist die eine, sehr ärgerliche Sache. Eine andere Sache aber die Frage, was Frau Chebli wohl genau mit ihrer Ankündigung gemeint haben mag. Will sie etwa, wie das der türkische Präsident Erdogan vor zwei Jahren propagierte, durch die Vermehrung der muslimischen Bevölkerung Europa islamisieren? Unsinn! Ihr geht es nur um den Namen. Um die Würde und die Bewahrung des Namens Mohammed. Den führt sie – neben anderen Vornamen – nämlich selbst. Der Name des Propheten ist im Islam so etwas wie im Christentum der Vorname der Jesus-Mutter Maria, den als Zweitname hier auch Männer tragen.

Nun spiegelt sich aber in den aktuell beliebten Vornamen immer auch der Zustand der Gesellschaft. Dass der Name Mohammed nicht nur in Berlin sondern bundesweit in den letzten Jahren an Beliebtheit zulegte, zeigt zweifellos den gewachsenen Anteil der Muslime an der Bevölkerung an. Und vielleicht auch deren größeres Selbstbewusstsein in der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Man sollte sich aber nicht von der Statistik täuschen lassen. Die Mohammeds kursieren im Baby-Namen-Ranking zwar ziemlich weit oben. In absoluten Zahlen stellen sie aber eine verschwindende Minderheit dar. Marie und Alexander sind Deutschlands beliebteste Namen. Gefolgt von weiteren, an die monarchische Vergangenheit erinnernde Vornamen. – Wenn Namen tatsächlich Diagnosen sind: Gegen die Sophies, Charlottes und Maximilians der Besserverdienenden hatten und haben die Kevins und die Chantals heutzutage nicht allzuviele Chancen, – ebenso wenig wie die Mohammeds.

WDR 3 Mosaik 7. Mai 2019