Wohnungsnot bei den Hohenzollern

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Er brauche kein Schloss, um sich zu definieren, sagte Georg Friedrich Prinz zu Preußen vor 14 Jahren der Zeitschrift „Cicero“. Ihm sei wichtig, behauptete er treuherzig, dass seine Familie als Institution wahrgenommen werde. Und das ginge auch, wenn er „mit Laptop im Café“ sitze. Das scheint sich inzwischen geändert zu haben. Fehlt den Hohenzollern inzwischen gar das Geld fürs Café und sitzen sie wie die übrigen 850.000 deutschen Wohnungslosen auf der Straße? Denn warum sonst wollen sie mit aller Macht zurück in ihre Schlösser und beanspruchen neben umfangreichen Entschädigungen ein „dauerhaftes, unentgeltliches Wohnrecht“ in ihren alten Sitzen in Potsdam?

Über die Chuzpe dieses seit Jahren hartnäckig betriebenen Ansinnens braucht man sich nicht zu wundern. Der Größenwahn scheint den Hohenzollern auch 100 Jahre nach dem Ende der Monarchie nicht  abhanden gekommen zu sein. Welche Rolle als „Institution“ sollten sie in einer Demokratie denn noch spielen? Ebenso wenig ist den Adeligen ihre Raffgier vergangen. Dabei sind sie bei den bisherigen Enteigneignungen mehr als gut weggekommen. Nur das, was Kosten verursacht, wie z.B. die Schlösser, wurde ihnen abgenommen. Das, was Geld bringt – Liegenschaften vor allem – durften sie behalten.

Wundern muss man sich allerdings über das Entgegenkommen des Staates gegenüber der Unverfrorenheit der Kaiser-Erben. Brandenburg, Berlin und auch der Bund führen wohlwollende und langwierige Gespräche mit ihnen. Aus Furcht vor teuren Prozessen. Und aus Angst, von ihnen erpresst zu werden. Denn immer wieder drohen sie damit, ihre Leihgaben aus öffentlichen Museen zurückzuziehen. Die Kulturstaatsministerin ließ sich sogar auf langjährige Geheimverhandlungen mit ihnen darüber ein. Auf ein vordemokratisches Procedere also, das stark an die Kabinettspolitik des Feudalismus erinnert.

Kündigt sich in solch devotem Umgang eine Rückkehr zu vergangenen, aristokratische Zeiten an? Natürlich nicht. – Aber durch das immense Wachstum des Reichtums haben sich neue soziale Formen der Verteilung von Einkommen und Macht etabliert, die tatsächlich stark an vormoderne Muster erinnern. Die Soziologie nennt das Refeudalisierung . Dafür charakteristisch ist die Polarisierung der Unterschiede zwischen entrückten Eliten und der wachsenden Unterschicht. Sozialer Aufstieg wird nahezu unmöglich. Die oberste Schicht schottet sich immer stärker ab und rekrutiert, unterstützt von einem ungerechten Bildungssystem, ihren Nachwuchs fast ausschließlich aus den eigenen Reihen.

Das Taktieren mit den Preußen scheint den Niederschlag dieser gesellschaftlichen Umschichtung auf die Politik zu spiegeln. Deren Wahrnehmungen und Gewichtungen haben sich verschoben. Der wachsenden Zahl von Wohnungs- und Obdachlosen wendet man noch nicht einmal so viel Aufmerksamkeit zu, dass man deren statistische Erfassung für nötig hält. Dem luxuriösen Wohnbedürfnis einer längst abgeschafften Aristokratie dagegen widmet man sich dagegen mit aller Geduld.

WDR 3 Mosaik 1. August 2019