Antirassismus als Business

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Der Coup wurde seit Wochen, Monaten vorbereitet. Gestern war es dann so weit. Das Interview des Prinzenpaares mit der amerikanischen Talkshowlegende Ophrah Winfrey. Die hatte seit Wochen um dieses Interview gekämpft. Gestern, am Sonntag bekam sie es, heute wird es weltweit ausgestrahlt. Winfreys Sender zahlte dem Paar dafür 7 Millionen Dollar. Dafür durfte Meghan ausführlich über den Rassismus der Royals im Windsor Palast jammern und immer wieder tränenrührende Selbstmordgedanken ins Spiel bringen. Prinz Harry kam erst nach 60 Minuten dazu und sagte eigentlich nur, dass er sich „vom System gefangen“ fühle. Doch nicht etwa von dem, das ihm die Millionen ins Haus scheffelt?

Und da dachten die nicht auf die Yellow-Press abonnierten Deutschen, sie wären durch unseren Alt-Adel schon blamiert genug. Durch den ewig besoffenen „Prügelprinzen“ Ernst August von Hannover etwa. Oder durch die raffgierigen Hohenzollern, die nichts unversucht lassen, die Bundesrepublik abzuzocken. – Da sollten sie aber mal über den Kanal zu den Royals schauen. Die machen uns und den Briten wieder einmal vor, wie man sich so richtig königlich blamiert.

Dabei fing alles herzerweichend an. Prinz Harry wollte sich mit der ihm frisch angetrauten amerikanischen Seriendarstellerin Meghan Markle endlich aus dem royalen Käfig befreien: Von den repräsentativen Zwängen und lästigen Pflichten, die eine Mitgliedschaft in der königlichen Familie nun einmal mit sich bringen. Das kann man ja verstehen. Dauernd in enger Galauniform am Buffet stehen oder sich unter glühender Tropensonne in den Ex-Kolonien die Tänze der Eingeborenen anschauen – echt boring.

Keine Pflichten, dafür aber Pfründe, kalkulierten wohl die Herzogin und der Herzog von Sussex. Keine royalen Auftritte mehr, dafür aber die Marke „Sussex Royal“, mit der sie sich selbst und noch einigen anderen Firlefanz äußerst gewinnträchtig vermarkten. Immerhin kostete ihr Anwesen in Kalifornien, auf das sie sich nach der schlagzeilenträchtigen Trennung von der königlichen Stammfamilie zurückzogen, fast 15 Millionen Dollar. Da muss man schon schauen, wie das Personal bezahlt werden kann. – Aber sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. In diesem Fall die Queen. Sie entzog ihnen kurzerhand das Dollar generierende „Royal“ aus der Marke „Sussex Royal“.

Insofern kann man das von langer Hand geplante Interview des Paars mit Ophrah Winfrey als die „süßeste Form der Rache“ betrachten, wie der „Independant“ schreibt. Denn es sei, so auch andere britische Medien, „zerstörerisch“ für die Monarchie. Das bleibt abzuwarten. Das Haus Windsor hat schon ganz anderen Skandalen standgehalten. Selten aber wurde es mit einem solchen Akt der Heuchelei konfrontiert. – Natürlich ist es eine skandalöse Wahrheit, dass ein Teil der britischen Yellow-Press Meghan Markle wegen ihrer, wie man in Großbritannien sagt, „mixed race“ von Beginn an rassistisch angegangen hat. Das gipfelte dann in den unsäglichen Spekulationen darüber, wie „braun“ die Hautfarbe ihres Babys sein würde.

Darüber sich im Interview zu beschweren, ist das gute Recht Meghan Markles. Aber dann in den nachfolgenden wirren Anspielungen dem kompletten Königshaus zu unterstellen, es habe diese rassistische Hetze gebilligt oder sich indirekt sogar daran beteiligt, ist unverfroren. Trotz mehrmaliger und nachdrücklicher Frage der Interviewerin wurde das Paar nicht konkreter, geschweige rückte es mit einem Namen heraus. So ganz wollen sie es sich offenbar doch nicht mit den Royals verderben. Denn die bleiben nach wie vor ihr Kapital. – Schon mal an richtige Arbeit gedacht?, fragt sich da der gewiss naive kontinentale Beobachter. Meghan könnte doch nach dem zweiten Kind wieder eine Serienrolle annehmen. Und hat Harry nicht einen Hubschrauberpiloten-Schein? 

WDR 3 Resonanzen 8. März 2021