Ran an die Dagoberts!

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Dass Künstler sich bei der Auseinandersetzung mit Corona blamieren können, haben die Schauspieler bewiesen, die sich an der Aktion #allesdichtmachen beteiligten. Auf die zynischen und bestenfalls dummen Sprüche dort folgt nun aber ein von mehr als hundert Künstlerinnen und Intellektuellen unterschriebner Offener Brief an die Bundesregierung, der es verdient, ernst genommen zu werden. Unter den Unterzeichnern sind der Schriftsteller Christoph Hein, die Sängerin Annette Humpe oder die Schauspielerin Maren Kroymann. In ihrem Offenen Brief  fordern sie eine effektive Besteuerung großer Erbschaften und Schenkungen und eine einmalige Vermögensabgabe. Diese einmalige Vermögensabgabe soll zur Tilgung der Staatsschulden dienen, die durch die Corona-Krise entstanden bzw. entstehen. Die Bundesregierung und darin mit größter Vehemenz die CDU/CSU-Fraktion lehnt eine solche Finanzierung bisher ab. Ob sie sich durch den Künstler-Appell umbesinnt? Ein Blick in die Geschichte jedenfalls lehrt, dass sich das Instrument der einmaligen Vermögensabgabe in Krisensituationen bisher bewährt hat.

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-resonanzen/audio-zwischenruf-kuenstlerinnen-fordern-vermoegensabgabe-100.html

Wenn einer ein echter und das heißt im Geld buchstäblich schwimmender Onkel Dagobert war, dann der amerikanische Stahlindustrielle Andrew Carnegie. Nach ihm ist nicht nur die berühmte Carnegie-Halle benannt. Er hat im Jahr 1889 auch einen Essay unter dem Titel „Das Evangelium des Reichtums“ verfasst. Darin plädierte er dafür, dass der Reichtum in den Händen weniger sie dazu verpflichte, der Gesellschaft etwas zurück zu geben. „Der Mann, der reich stirbt“, heißt es darin, „stirbt in Schande“.

Obwohl sich seit Carnegies Zeiten der Reichtum im Besitz einer immer kleineren Clique um ein Millionenfaches vermehrt hat, ist die Neigung, etwas davon an die Gesellschaft zurückzugeben, keinesfalls gestiegen. Im Gegenteil. Mit Händen und Füßen verrammeln die Dagoberts ihre aus den Nähten platzenden Geldspeicher. Und: Mit Hilfe der Kanzlerin und der CDU/CSU. – Wiederholt wies Angela Merkel die Forderung zurück, die gewaltige Verschuldung des Staates durch die Corona-Krise mittels einer sogenannten einmaligen Vermögensabgabe zu tilgen.

Im Unterschied zur Vermögenssteuer, die von der CDU/CSU übrigens ebenfalls vehement abgelehnt wird, ist die Vermögensabgabe keine wiederkehrende, sondern eine, wie der Name sagt, einmalige Erhebung auf große Vermögen. Gedacht ist sie als Instrument für Krisen- und Notfälle. Sowohl die Weimarer Republik wie auch die junge Bundesrepublik wandten es zur Bewältigung der Kriegskosten an. Das Bundesverfassungsgericht hat es seinerzeit als solches Krisen-Instrument ausdrücklich als verfassungskonform gebilligt.

Und mit kaum etwas anderem als der Bewältigung einer ungeheuren finanziellen Krise werden wir es zu tun haben, wenn „Corona“ irgendwann vielleicht mal vorbei ist. Die Bundesregierung plant, die unvorstellbare Summe von rund 400 Milliarden Euro Schulden, die sie wegen der Pandemie machen musste, bis zum Jahr 2042, also in nur 20 Jahren zu tilgen. Ohne eine neue Vermögens- oder eine neue Erbschaftsteuer und natürlich auch ohne die Vermögensabgabe. Sondern so wie schon immer nach Krisen, zuletzt nach der Finanzkrise von 2008: Durch allgemeine Steuererhöhungen und durch Einsparungen im Staatshaushalt. Also auf Kosten der mittleren und kleinen Einkommen. Durch Umverteilung von unten nach oben.

Den umgekehrten Weg über die Vermögensabgabe schlagen nicht nur die Unterzeichner des Offenen Briefes an die Bundesregierung vor. Auch aus dem Lager der Dagoberts gibt es immer wieder mal Stimmen, die der Mahnung Andrew Carnegies von 1889 folgen. Zuletzt appellierte im Jahr 2009 die „Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe“, zur Bewältigung der Finanzkrise Reiche durch eine Vermögensabgabe von 5 Prozent auf Vermögen ab 500.000 Euro zu belasten und anschließend eine Vermögenssteuer einzuführen. Dazu wird sie wohl nicht nur bloß die Furcht davor, „in Schande zu sterben“ bewogen haben. Sondern auch die Furcht davor, dass es eine Gesellschaft mit immer krasseren Vermögensungleichheiten irgendwann einmal vollständig zerreißt.

WDR 3 Resonanzen 28. April 2021