Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm nicht mehr haben

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Heute wird der Senat der Westfälischen Wilhelms-Universität den Beschluss für die Änderung des Namens der Universität offiziell verabschieden. Künftig soll sie nur noch „Universität Münster“ heißen. Dafür hatte sich der Senat bereits in einer Probeabstimmung im Januar ausgesprochen. Heute wird es offiziell. – Damit folgt der Senat einer Studenteninitiative aus dem Jahr 2018; die stieß sich vor allem an der Person des Namensgebers, des Hohenzollern-Kaisers Wilhelm II: Ein Militarist, Kolonialist und Antisemit wie er könne kein Vorbild für eine Universität und die studentische Jugend sein. Ein neuer Fall von Cancel Culture?

Für den Größenwahn der Hohenzollern kommt es heute wieder mal knüppeldick. Wenn die bisherige „Westfälischen Wilhelms Universität Münster“ nicht nur das „Westfälisch“, sondern auch den „Wilhelm“ aus ihrem Namen streicht, wird dem Hause Hohenzollern ein weiterer Zacken in der Krone fehlen. Denn schon im März „verzichtete“ es notgedrungen auf seine ohnehin nicht durchsetzbaren Entschädigungsforderungen. Jetzt muss es auch noch den Ruhm des letzten deutschen Hohenzollernkaisers weiter verblassen sehen.

Wilhelm II hat die Universität in Münster zwar nicht gegründet – das geschah bereits 1771. Aber zwischenzeitlich war sie zu einer bloßen Akademie herabgestuft worden und Kaiser Wilhelm erhob sie im Jahr 1902 wieder in ihren alten Stand.  Obwohl er damit nicht zum eigentlichen Universitätsgründer wurde, trug sie seit 1907 seinen Namen. Um ihn zu ehren. Diese Ehre wird ihm jetzt aberkannt. Das ist der Sinn von Umbenennungen. Man entzieht einem Namensgeber die Ehre, weil er sie aus heutiger Sicht nicht verdient hat.

Das Problem bei solchen Umbenennungen ist bekanntlich, ob die Maßstäbe, die man heute an historische Personen anlegt, der Situation gerecht werden, in der sie handelten. Bei der Umbenennung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vor fünf Jahren beispielsweise stand zur Diskussion, ob der zweifelsfreie Antisemitismus des Namensgebers seine übrige Lebensleistung als Freiheitskämpfer, Demokrat und revolutionärer Dichter so überschattete, dass man ihm die Ehrung entziehen konnte. Der Greifswalder Senat folgte damals der Einschätzung und dem Votum der Studenten.

Im letzten Jahr dagegen lehnte der Senat der Eberhard-Karls-Universität Tübingen den Antrag einer studentischen Mehrheit ab. Er sah zwar auch, dass Militarismus und Antisemitismus bei den beiden württembergischen Herrschern und Namensgebern eine Rolle spielten. Für ihn aber überwog deren Leistung als Stifter und Förderer des Wissenschaftsstandortes Tübingen.

Im Fall Wilhelms II kann von einer solchen Leistung nun nicht die Rede sein. Er interessierte sich überhaupt nicht für die nach ihm benannte Universität, besuchte sie kein einziges Mal. Er interessierte er sich mehr für Kolonialismus und Kriegstreiberei und ein Judenhasser war er sowieso. Diese und weitere historische Erkenntnisse waren in Münster zunächst das Ergebnis einer im Jahr 2020 vom Universitätssenat eingesetzten Arbeitsgruppe. Sie wurden anschließend von einem weiteren Historiker-Team für die öffentliche Diskussion aufgearbeitet und flossen in Ausstellungen und Podiumsdiskussionen ein.

Dass man den Namen des Hohenzollern-Kaisers jetzt aus dem der Universität Münster tilgt, ist mithin ein Akt der gut geplanten Befreiung. Und nicht einer der bloß wohlfeilen Gesinnung. Die Umbenennung in Münster ist also keineswegs ein neuer Fall von „Cancel Culture“, sondern das Produkt einer sorgfältigen wissenschaftlichen Überprüfung und eines langen und transparenten demokratischen Prozesses. Die Entscheidung des Universitäts-Senats ist nur ein letzter, formaler Akt. – Ein Vorbild für alle künftigen Umbenennungen.

WDR 3 Mosaik 5. April 2023