Asterix light?

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Zurzeit finden – noch bis zum 25. Juni – in Berlin die „Special Olympic World Games” statt. Das ist eine Wettkampfveranstaltung der „Special Olympics“, einer Organisation, deren Ziel es ist, Menschen mit geistiger Behinderung durch Sport zu mehr Anerkennung, Selbstbewusstsein und damit zu mehr Teilhabe an der Gesellschaft zu verhelfen. 7.000 Athleten nehmen teil. Vertreten sind alle Sportarten vom Fußball bis zum Reiten. – Der Verlag Egmont Ehapa Media, der in Deutschland unter anderem die Asterix-Comics vertreibt, hat die „Special Olympic World Games” zum Anlass genommen, den bereits 1972 (auf Deutsch) erschienen Band „Asterix bei den Olympischen Spielen“ in „Leichter Sprache“ herauszubringen. Gedruckt wurden 20.000 Exemplare, 13.000 in Deutsch, 7.000 in Englisch. Sie werden an die Teilnehmer der „Special Olympics“ verschenkt. Der Rest der Auflage ist ausschließlich online beim Verlag erhältlich.

Der Witz von „Asterix bei den Olympischen Spielen“ besteht hauptsächlich darin, dass die Comicautoren René Goscinny und Albert Uderzo den heuchlerischen Umgang mit Doping durch den Kakao ziehen. Nachdem sich die männlichen Bewohner des gallischen Dorfs kurzerhand zu „Römern“ erklärt und damit die Zulassung zu den nur Griechen und Römern vorbehaltenen Spielen erworben haben, machen sie sich siegesgewiss auf den Weg nach Griechenland. Schließlich verfügen sie über den von ihrem Druiden Miraculix bereiteten Zaubertrank. Als sie aber in Olympia ankommen, gilt dort das absolute Verbot, kraftfördernde Mittel einzunehmen. Sie wollen schon aufgeben, da hat Asterix die geniale Idee, die römischen Athleten zur Einnahme des Zaubertranks zu überlisten. Mit dem Ergebnis, dass sie zwar alle vor ihm im Ziel sind, aber wegen Dopings disqualifiziert werden und er zum Sieger erklärt wird.

Über die witzige Pointe der Stories und die vielen, immer wiederkehrenden situationskomischen Gags hinaus – „Die spinnen die Römer!“ – besteht der Reiz der Asterix-Comics vor allem in ihrem ausgeprägten Sprachwitz. – „Asterix“ war einer der ersten Comics in Deutschland, der auch von Intellektuellen begeistert aufgenommen wurde. Denn die Übersetzungen transponierten die raffinierten Wort- und Sprachspiele des französischen Originals einigermaßen adäquat ins Deutsche. Zu den Stilmerkmalen der Asterix-Texte gehört etwa das Spiel mit der Doppeldeutigkeit oder dem Gleichklang von Wörtern, mit Sprachfehlern bestimmter Protagonisten, Eigentümlichkeiten von Dialekten und Fremdsprachen oder die Verballhornung lateinischer oder anderer Redewendungen.

Ein so feinsinniges Spiel mit der Sprache ist von einer Übertragung in die „leichte Sprache“ weder zu verlangen noch zu erwarten. Denn deren Sinn ist schließlich, einen Text „barrierefrei“ zu machen, d.h. von allem Doppeldeutigen zu befreien und auf seine wesentliche Aussage zu reduzieren. – Also kann aus einem Asterix in „leichter Sprache“ bloß ein halber, um seinen eigentlichen Witz gebrachter Asterix werden? – Überhaupt nicht! Denn zum einen sind Bilder und Story ja wie im Original. Zum anderen hat sich Josephine Bilk, die die ursprüngliche Übersetzung von Gudrun Penndorf in „leichte Sprache“ transponiert hat, bewundernswerte Mühe gegeben, das Spielerische und die Leichtigkeit des Textes zu erhalten.

Situationskomik gelingt ihr auch in leichter Sprache: „Es ist immer dasselbe“, sagt der Gallier-Häuptling. „Immer wenn ich ein Bad nehme, werde ich gestört. Letztes Jahr auch schon.“ Auch Wortbedeutungsspiele funktionieren: Ein römischer Athlet versagt beim Training gegen Obelix jämmerlich. Sein Hauptmann tröstet ihn mit einem „Ruh dich aus, mein Bester.“ Worauf der Athlet antwortet: „Ich bin nicht dein Bester. Ich bin ein Versager.“ Und dass nun dem Schwarzen im Ausguck des Piratenschiffs sein Sprachfehler abhandenkommt, macht diesen Asterix nicht nur Barriere- sondern auch diskriminierungsfrei. 

WDR3 Mosaik 19. Juni 2023