Bella Italia

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In wenigen Tagen, am 25. September, wird sich der Wahlsieg Giorgia Melonis und ihrer postfaschistischen Fratelli d’Italia jähren. Einen Monat später bildete sie die Regierung; seit fast einem Jahr wird Italien von Politikern regiert, die sich in der Tradition des Faschismus sehen und die alles daransetzen, den historischen Faschismus zu verharmlosen. Die Frage ist, wieviel sie daransetzen, in diesem Sinne die heutige italienische Politik und Gesellschaft zu verändern.

Le teste di legno fanno sempre chiasso heißt ein italienisches Sprichwort, – Holzköpfe machen immer Lärm. Die Regierung Giorgia Melonis scheint sich daran zu halten, sie verhält sich relativ geräuschlos und alles andere als dumm. Zumindest außenpolitisch. Die Katastrophe, die viele von einer dem Faschismus nahen Regierung erwarteten, ist nicht eingetreten: Weder ziehen prügelnden Schwarzhemdhorden durch Italiens Städte noch werden Bürgerrechte eingeschränkt oder die Abtreibung verboten. Und die letzte Bücherverbrennung – veranstaltet übrigens von der von Giorgia Meloni angeführten faschistischen Jugendorganisation Azione Nazionale, liegt auch schon ein paar Jahre zurück.

Die Wende hin zur Rehabilitierung des Faschismus begann allerdings schon längst vor Meloni, in den Regierungsjahren Silvio Berlusconis gleich nach der Jahrtausendwende: Der Antifaschismus, in den Nachkriegsjahrzehnten so etwas wie die Staatsräson in Italien, wurde stillschweigend beerdigt, Neo- und Postfaschisten in die Regierung und in Machtpositionen in Kultur, Presse und Verwaltung gebracht. Dieser Prozess einer stillschweigenden Machtergreifung hat sich unter der Herrschaft der Postfaschisten verstetigt und beschleunigt: Vor allem in der Kultur werden Kuratorinnen oder Museumsleiter ausgetauscht und durch linientreue Fratelli d’Italia-Vertreter ersetzt. Im nationalen Sender RAI wurde der Direktor entlassen und durch einen langjährigen Kampfgefährten Melonis ersetzt.

Man könnte einwenden: Das ist in Italien – und nicht nur dort – eben so, dass jede neue Regierung die Schaltstellen der Macht mit ihren Leuten besetzt. Doch was im Italien Giorgia Melonis hinzukommt ist, dass sie und ihre Partei hartgesottene Ideologen sind, die das Land im Zeichen des faschistisch-nationalistischen „Gott, Vaterland, Familie“ umkrempeln wollen. Hauptagitationsfeld der Fratelli d’Italia ist die Jugend, es sind die Schulen und Universitäten des Landes. Dort hält die Gioventù Nazionale, die Jugendorganisation der Partei, ein ganzes Netzwerk von rechten Jugendgruppierungen zusammen, betreibt Kultureinrichtungen und organisiert paramilitärische „Kameradschaften“. Besonders ihre „Sommercamps“ erfreuen sich in den langen italienischen Ferien wachsender Beliebtheit.

Der eigentliche Zweck dieses Umerziehungsprogramms liegt auf der Hand: Die Unterminierung der demokratischen Gesellschaft. Daraus, dass Giorgia Meloni eine Präsidialverfassung für Italien anstrebt, hat sie nie einen Hehl gemacht. Daran hält sie nach wie vor fest. Ein knappes Jahr nach ihrem Regierungsantritt wird deutlicher, was sie sich unter dieser Präsidialverfassung vorstellt. Und es steht zu befürchten, dass das mehr mit einem autoritären Regime als mit einer wirklichen Demokratie zu tun hat.

WDR3 Mosaik 20. September 2023