Walter Tevis, Die Partie seines Lebens

Veröffentlicht in: Allgemein, Rezensionen | 0

Walter Tevis: Die Partie seines Lebens. Aus dem Amerikanischen von pociao und Roberto de Hollanda. Diogenes Verlag. 265 Seiten. 24 Euro.

https://www.diogenes.ch/leser/titel.html?detail=09347b75-6d4d-45dd-ab86-3569fb12d54e

https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/buecher/krimi-check/tevis-die-partie-seines-lebens-102.html

Dass der Diogenes-Verlag die Bücher des schon 1984 gestorbenen amerikanischen Autors Walter Tevis wieder auflegt, ist ein Segen. Denn so können wir nicht nur seine berühmten Science-Fiction-Romane wie „Der Mann, der vom Himmel fiel“ oder „Die Letzten der Menschheit“ wiederentdecken. Sondern auch den Teil seines Roman-Werks, der ein wenig seine eigene Autobiografie widerspiegelt. Und das tut der Roman „Die Partie seines Lebens“, ein Krimi aus dem Milieu der amerikanischen Pool-Billrad-Salons der 1950er und 1960er Jahre. Denn Tevis, der vor seiner Schriftstellerkarriere vielerlei Jobs nachging, war zu dieser Zeit ein ausgezeichneter, zumindest halb-professioneller Pool-Billard-Spieler. Er weiß also sehr genau, wovon er in „Die Partie seines Lebens“ schreibt. – Dass man die Qualität dieses Romans sehr rasch nach seinem Erscheinen 1959 erkannte, spricht, dass er bereits 1961 mit Paul Newman in der Hauptrolle unter dem Titel „Haie der Großstadt“ verfilmt wurde.

Es ist ein sehr spezieller Krimi. Ohne Tote, ohne ein eigentliches Verbrechen, auch, wenn darin ein Paar Daumen gebrochen werden. Ein ziemlich düsterer Krimi ist es obendrein. Und das, obwohl sein Held, der Pool-Billard-Spieler „Fast“ Eddie Felson auftritt wie eine Frohnatur. Mit freundlichem Lächeln und einem lockeren Spruch kommt er in die Billardsäle und gibt sich den Anschein eines mittelmäßigen Spielers. Bis es um Geld geht. Dann verwandelt er sich in einen abgezockten Profi, der alle über den Tisch zieht.

Dass das nicht lange gut gehen kann und wie das Drama seinen Lauf nimmt, erzählt Walter Tevis mit der unterkühlten Distanz und im Stil eines typischen „noir“. Der Roman besticht nicht nur durch seine wunderbar lakonischen Dialoge und seine geradlinige Figuren- und Handlungsführung. Sondern vor allem durch die atmosphärisch dichte Beschreibung des amerikanischen Pool-Billard-Milieus und seiner halb-kriminellen Auswüchse. Zu Hochform läuft Walter Tevis‘ Können auf, wenn er die Raffinesse und die Schönheit des Spiels selbst und die Eleganz der Spieler beschreibt.

Doch auch als Psychologe ist Tevis ein großer Könner. Meisterhaft dreht seine Geschichte den beliebten dramaturgischen Kniff des „Winning by Losing“ um, wonach der Verlierer am Ende der eigentliche Gewinner ist: „Fast“ Eddie Felson gewinnt nach etlichen Niederlagen zwar seine letzte, entscheidende Partie gegen den legendären Star „Minnesota Fats“. Doch offenbart ihm dieser Sieg, wieviel seelische Substanz ihn das Gewinnen bisher gekostet hat – und dass er eigentlich der Verlierer ist.

WDR5, Bücher 10.Februar 2024