Kunst hat ihren Preis

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Jeff Koons hat sich selbst überboten. Gestern erzielte seine Edelstahl-Skulptur „Rabbit“ im New Yorker Auktionshaus Christie’s einen Preis von 91 Millionen Dollar. Das ist der höchste Preis, den das Kunstwerk eines lebenden Künstlers je erzielt hat.

Im Jahr 1912 veröffentlichte der deutsche Soziologe Werner Sombart ein höchst originelles Buch. Es hieß „Liebe, Luxus und Kapitalismus.“ Sombart stellte darin die These auf, dass das ausschweifende Sexualleben der französische Könige im 17. Jahrhundert die Haupttriebfeder für die Entstehung des Kapitalismus war: Das Luxusbedürfnis der Mätressen bei Hofe übertrug sich auf die Damen der übrigen Gesellschaft, kurbelte das Luxusgüter herstellende Manufakturwesen an und setzte damit die kapitalistische Produktionsweise in ihren bis heute dauernden, unaufhaltsamen Gang.

Auch wenn sich diese These als nur bedingt stichhaltig erwies, berührt sie doch einen wesentlichen Zusammenhang: Den zwischen Luxus und Kapitalismus. Luxus ist etwas, was man eigentlich nicht braucht. Und der Kapitalismus eben die Wirtschaftsweise, die auf der Herstellung von Bedürfnissen nach Dingen beruht, die man eigentlich nicht braucht. Je mehr dieser Dinge nachgefragt – und entsprechend produziert werden, lautet die Schlussfolgerung, desto besser funktioniert der Kapitalismus. Schaut man auf die nahezu absurden Preise, die derzeit auf dem Kunstmarkt erzielt werden, muss man glauben, dass es dem Kapitalismus noch nie so gut ging wie heute.

Denn natürlich ist Kunst ein Luxusprodukt. Gegenüber jedem Tisch oder jedem Stuhl tendiert der reine Gebrauchswert eines auch noch so schönen Gemäldes von Claude Monet oder Gerhard Richter gegen Null. Wie bei allen Luxusartikeln sind auch bei der Kunst die gängigen Wertmaßstäbe ausgehebelt. Zwar gab es einmal eine Zeit, wo sich der ökonomische Wert von Kunst auch nach ihrem ästhetischen Wert bemessen hat. Doch schaut man auf die eher kunstgewerblichen Erzeugnisse etwa eines Jeff Koons oder eines Damien Hirst, ist diese Zeit lange vorbei. Ihre Kunstwerke sind absolute Luxusprodukte. Eigentlich könnte man auch etwas anderes kaufen als sie. Hauptsache, es ist teuer, verschafft Status und Macht.

Die Preise, die bei den Sothebys- oder Christies’-Auktionen inzwischen für Kunst erzielt werden, sind die Folge dessen, dass Kunst als Luxusprodukt zu einem Spekulationsobjekt geworden ist. Ziel ihres Erwerbes ist nicht mehr etwa der Aufbau einer Sammlung, sondern das „Return of Investment“. Man will sie teurer verkaufen als man sie eingekauft hat. – Das an sich wäre ja nicht weiter schlimm, das gleiche geschieht ja auch mit Rohöl oder mit Schweinehälften. Doch stellt sich die Frage, welche Konsequenzen ihre Verwandlung in ein reines Luxus- und Spekulationsobjekt für die Kunst selbst hat. Wenn zukünftig nur noch als „schön“ gilt, was auch teuer ist, könnten sich die Maßstäbe in Richtung einer Konsum- und Hochglanzästhetik verschieben. Ein Blick auf Jeff Koons „Rabitt“ oder „Balloon Dog“ zeigt, dass das bereits geschehen ist. – Zum Trost gibt es immer noch Künstler wie Claude Monet oder Gerhard Richter. Bezahlen kann man sie trotzdem nicht.

WDR 3 Resonanzen 16. Mai 2019