Scott McClanahan: Sarah. Roman

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Scott McClanahan: Sarah. Aus dem amerikanischen Englisch von Clemens Setz. Ars vivendi, Cadolzburg 2020, 206 Seiten, 22 Euro.

In der Literatur, schrieb einmal ein berühmter Literaturkritiker, geht es nur um zweierlei: Um die Liebe und um den Tod. Anders gesagt: Wenn es darin nichtum die Liebe und den Tod geht, handelt es sich nicht um Literatur. Jedenfalls nicht um gute. – Um das schon einmal vorweg zu sagen: So, wie Scott McClanahan diese beiden Themen behandelt, kommt dabei allerfeinste Literatur heraus. Was auch damit zu tun hat, dass seine Geschichte vom traurigsten Kapitel der Liebe erzählt, von ihrem Ende nämlich. Also vom Tod der Liebe. Davon, wie ein Mann die Trennung und Scheidung von seiner Frau erlebt, erzählt der 42-jährige amerikanische Autor mit solch anarchischem Humor und gleichzeitig so anrührend, dass man oft nicht weiß,  ob man lachen oder ob man weinen soll. Etwa bei der Szene, wo Sarah, die Frau des autofiktionalen Erzählers „Scott“, ihm erklärt, dass sie sich scheiden lassen will. Um das zu bekräftigen, beschimpft sie ihn als „Fettsack“.

Fettsack! Ich rutschte weg von ihr, ans Ende der Couch und fing an zu heulen wie ein kleines Kind. Ich musste an Chicken Wings denken. Und Sarah sagte, ich solle mich beruhigen. Beruhig dich. Also schlug ich mir selbst ins Gesicht, wie ich es immer machte, wenn die Dinge überhand nahmen. Sarah schrie: Scott, bitte! Und ich schluchzte und heulte wie ein kleines Gör und sagte: Und du sitzt einfach da und denkst nicht daran, mich zu trösten?

Womit klar wird, warum Sarah sich scheiden lassen will: Scott ist ein zwar intelligenter und liebenswerter, ansonsten aber völlig unreifer Mensch, selbstverliebt und labil. Er ernährt sich von Junkfood, trinkt übermäßig viel und fährt häufig im betrunkenen Zustand durch die Gegend, ohne zu wissen, dass ihre beiden kleinen Kinder auf der Rückbank sitzen.

Ich war der beste betrunkene Autofahrer der Welt. Ich war schon jahrelang in Übung und ich fuhr unseren Todeswagen schnell und furchtlos über die Erde. Ich zerstörte unser Leben und es fühlte sich verdammt großartig an.

Mit anderen Worten: So durchgängig lustig ist dieser Roman trotz aller drastischen Situationskomik und trotz aller fetzigen und übrigens vom österreichischen Schriftsteller Clemens Setz äußerst lässig übersetzen Dialoge dann doch nicht. Denn es geht hier, wie gesagt, um den Tod einer Liebe und damit auch den Tod schlechthin. Infolgedessen wird in diesem Roman sehr viel gestorben und über den Tod erzählt. Sein Schmerz und das daraus entstehende Bewusstsein seiner eigenen Nichtigkeit sensibilisiert den Erzähler für den Tod anderer Lebewesen, etwa den des Familienhundes, eines uralten und steinblinden Mopses namens Mister King. Oder den eines Kätzchens, das er tagelang draußen im Schnee fütterte, dann aber aus Versehen mit dem Auto überfuhr. Er hat keine Zeit, es zu begraben. Als er zurückkommt, ist der Müllwagen über den Leichnam gefahren.

Die Tonnen waren leer und das Kätzchen im Schnee vollkommen platt. Also unternahm ich nichts. Auf diese Weise kümmerte sich Nichts um Nichts. Und so wurde es für mich zu einem Denkmal. Als ich am nächsten Abend nach Hause kam, drehte ich das Lenkrad scharf in die Richtung und fuhr über die Kätzchenbeule im Schnee. Denn ich wusste, wenn ich es nur oft genug überfuhr, würde es vielleicht eines Tages nicht mehr da sein.

So ist „Sarah“ ein zwar sehr beschwingt zu lesender, am Ende aber doch sehr traurig stimmender Roman. Wie aber könnte es auch anders sein, wenn vom Allertraurigsten erzählt wird, vom Verlust der Liebe?

WDR 5 Bücher 6. Juni 2020