Flieger, grüß mir die Sonne

Veröffentlicht in: Allgemein, Essays & Kommentare | 0

Ab heute ist wieder was los! Nachdem wegen der Corona-Pandemie die Klima-Proteste der Friday-for-future-Bewegung nur im Netz stattfanden, geht es heute wieder auf die Straße. In Berlin und Hamburg werden jeweils 10.000 Demonstrantinnen und Demonstranten erwartet, gleichzeitig finden weltweit und in Deutschland an 400 weiteren Orten Protestdemonstrationen gegen die unzureichende Klimapolitik des bzw. der Staaten statt. – Wird das endlich etwas bewegen? – Ja, denn ab Samstag kann man Tickets für den „Meeresexpress“ kaufen. Das ist eine neu eingerichtete (und natürlich von der Politik genehmigte) Fluglinie, die zwei Mal täglich Bottrop im Ruhrgebiet mit den ostfriesischen Inseln Norderney und Juist verbindet. In bloß 45 Minuten und für bloß 99 Euro. – Wie beides zusammenpasst? Ganz wunderbar. Man muss Widersprüche einfach bloß aushalten können.

„Flieger, grüß mir die Sonne, grüß mir die Sterne und grüß mir den Mond“ sang Hans Albers 1932 im UFA-Streifen „F.P.1. antwortet nicht“. Und weiter im zukunftszugewandten Liedtext heißt es: „Dein Leben, das ist das Schweben, durch die Ferne, die keiner bewohnt.“ Das Fliegen mag 90 Jahre später zwar immer noch ein Schweben sein, eine „unbewohnte Ferne“ aber gibt es nicht mehr. Im Gegenteil. Die vielen Menschen, die die Erde bevölkern, verbrauchen deren Ressourcen in immer schnellerem Tempo.

Dazu trägt vor allem der Lebensstil der reichen Industrienationen bei und deren C02-Ausstoß bei – und darunter natürlich auch das Fliegen. Das ist (fast) allen bewusst, spätestens, seitdem Greenpeace und mit neuer Energie nun auch Fridays- for-Future für einen schnellen und effizienten Klimawandel auf die Straße gehen. Darauf reagierte dann endlich auch die Politik. Die Kanzlerin verkündet immer mal wieder neue „Klimaziele“. Und vor ein paar Tagen noch forderte die EU-Kommissionspräsidentin eine Reduzierung der Treibhausgase um 55 Prozent, – bis 2030. Wohl wissend, dass die EU-Mitgliedstaaten dem nie geschlossen zustimmen und die Zielmarken somit nie eingehalten werden.

Diese Halbherzigkeit – um nicht zu sagen Heuchelei – hat System; auch in Bezug auf das Fliegen. Wenn Politiker verlangen, wie das etwa Finanzminister Olaf Scholz im letzten Jahr tat, Bahnfahrten billiger zu machen, um die klimaschädlichen Inlandsflüge zu verteuern: Dann können sie sich darauf verlassen, sofort von anderen Politikern ausgekontert zu werden. In diesem Fall warf prompt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer der Bundesregierung Angstmacherei vor: Der Klimaschutz „verunsichere die Bürger.“ Woraufhin der Finanzminister sich dann beeilte, noch einmal seine Skepsis gegenüber der Einführung einer Kerosinsteuer zum Ausdruck zu bringen.

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat sich in dieser Debatte gegen eine „Verdammung des Fliegens“ ausgesprochen. Da er selbst mit dem Flugzeug in den Sommerurlaub reiste, meinte er, auch sonst niemand müsse sich schämen, mal in den Urlaub zu fliegen. – Wahrscheinlich ist es berufsbedingt, dass Politiker eher Freunde des Fliegens sind. Deshalb haben sie auch nichts gegen die täglichen Leerflüge der Fahrbereitschaft der Bundeswehr zwischen Bonn und Berlin einzuwenden. Und deshalb meldete auch niemand Bedenken an, als das Flugunternehmen „Meeresexpress“ seinen Betrieb anmeldete: Ab März nächsten Jahres kann man täglich zwei Mal vom Flugplatz Schwarze Heide bei Bottrop zu den ostfriesischen Inseln Norderney und Juist fliegen.

Umweltprobleme? I wo, sagt der Betreiber. Pro Flug nehme er doch zwei bis vier Autos von der Autobahn. Ganz im Sinne von Hubertus Heil, der gegen die „Verdammung der Fliegens“ einwandte, dass man beim Klimaschutz „weit mehr als Symboldebatten“ brauche. – „Piloten ist nichts verboten“, heißt es am Schluss des Hans-Albers-Liedes. „Und mit Vollgas düsen sie um die Welt.“

WDR 3 Mosaik 25. Oktober 2020