Tony Hillerman, Dunkle Winde

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Tony Hillerman: Dunkle Winde. Aus dem Englischen von Klaus Fröba.Unionsverlag. 253 Seiten. 14 Euro.

Mit seinen Krimis um Polizisten von der Navajo Tribal Police betrat Tony Hillerman in den 1970er Jahren Neuland: Zum ersten Mal wurden Indigene zu Helden amerikanischer Krimis und ihr Reservat in Arizona zu deren Schauplatz. Jetzt werden alle Hillerman-Romane in überarbeiteter Fassung neu aufgelegt.Die Landschaft, in der Tony Hillermans Romane und natürlich auch „Dunkle Winde“ spielen, kennt jeder, der schon einmal einen Western gesehen hat: es sind die markanten Tafelberge der Hopis rund um das Monument Valley im US-Bundesstaat Arizona. Was aber Hillermans Krimis, die ausnahmslos in dieser leeren Wüstenlandschaft spielen, von Western unterscheidet: Seine Protagonisten sind keine weißen Cowboys, sondern indigene Polizisten vom Stamm der Navajo. Deren Reservat liegt nämlich hier. Und die Landschaft ist nicht wie in den Western bloße Kulisse, sondern sie spielt, ebenso wie das Leben und die Bräuche der Navajo eine Hauptrolle in Hillermans Krimis.

Nacht für Nacht muss Officer Jim Chee von der Navajo Police am neuen Windrad Wache schieben: Es kann nur ein Racheakt der Navajo sein, dass es immer wieder beschädigt wird. Denn das Land, auf dem es steht, hat die Landverteilungsbehörde neuerdings dem Stamm der Hopi zugeteilt. So, dass jetzt deren Familien statt der der Navajo das hochgepumpte Wasser bekommen. Doch statt des Täters taucht eines Nachts ein Flugzeug auf und Jim Chee wird Zeuge seiner Bruchlandung. Als sich am nächsten Morgen herausstellt, dass der Pilot ein Drogenkurier war, der Mann tot und die Ladung verschwunden ist, ist das nicht länger ein Fall für die Navajo-Police, sondern für die weißen Männer vom Drogendezernat. Und die verdächtigen Jim Chee, die Ladung gestohlen zu haben. Ihm bleibt nichts anderes, als den Dealern dahinter zu kommen. Das aber kann er hundert Mal besser als die weißen Bundesagenten sie: Seinem Auge entgeht nicht die kleinste Spur im Wüstensand. Und da einer der Haupttatverdächtigen wie er ein Navajo ist, kann er sich in dessen Mentalität versetzen. – „Dunkle Winde“ ist zwar 1982 erstmals erschienen, liest sich aber heute erstaunlich frisch und ist hoch aktuell. Der Rassismus, den die weißen Drogenfahnder dem Navajo entgegenbringen, wendet sich gegen sie selbst und lässt sie am Ende ziemlich dumm dastehen. Denn nur Jim Chee, der auch Medizinmann ist, durchschaut die verwickelten rituellen Hintergründe und kann den Fall lösen. – Es ist ein großer Glücksfall, dass der Zürcher Unionsverlag jetzt alle Hillerman-Romane neu auflegt.

WDR 5, Bücher 11. und 12. November 2023