Gestern hat auch die SPD ihre Minister für die künftige Regierung vorgestellt – und damit zwar für die eine oder andere Überraschung gesorgt. Doch ein wirkliches Gegengewicht gegen die in Schlüsselstellungen von Lobbyisten besetzte Riege der CDU/CSU-Minister und Ministerinnen formiert sie damit nicht: Diese Regierung wird eindeutig eher rechts ticken. Ist sie so aber gefeit für die eigentlich so fundamentale Auseinandersetzung mit einem Gegner – der AfD – die der Demokratie (nun amtlich beglaubigt) den Kampf angesagt hat?
Friedrich Merz, der heute Vormittag vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden will, hat vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags eine Regierung versprochen, die (Zitat) „entschlossen ist, die Dinge in Deutschland zum Guten zu wenden.“ „Zum Guten“ – darunter versteht er, dem Land eine bessere Infrastruktur zu verschaffen. Und was den Stil seiner Regierung angeht, so will er, dass seine Regierung „die Sorgen der Menschen ernst nimmt“ und dabei „verlässlich“ sei. Gemeint hat er mit Letzterem wohl, dass es in der neuen Koalition weniger Knatsch als in der gescheiterten Ampelkoalition geben soll.
Die „Menschen im Lande“, wie die Regierenden so gerne sagen, sehen der Zukunft des neuen Regierens allerdings weniger optimistisch entgegen. Eine Mehrheit meint laut der aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, die kommende Regierung werde keine bessere, sondern eher eine schlechtere Arbeit machen als die letzte. Optimistischer sehen die Befragten lediglich auf die Dauer der neuen Koalition. Die meisten glauben, dass sie die gesamte Legislatur zusammenhalten wird.
Wenn wenigstens das eintreffen sollte, schiebt sich die Frage in den Vordergrund, was die neue Regierung denn am dringendsten „gut“ machen muss. Die Antwort liegt auf der Hand: Wie geht sie mit der derzeit zweitstärksten im Bundestag vertretenen und jetzt endlich als „gesichert rechtsextremistisch“, also fundamental demokratiefeindlich eingestuften Partei um? Statt sie zu verbieten, riet Alexander Dobrindt von der CSU, sollte man sie einfach „wegregieren“.
Sehr gut gesagt – doch an die neue Regierung Merz gewandt, kann das ja nur heißen: Wie wird die es schaffen, das Viertel der Wähler, das jetzt noch der AfD anhängt, für die demokratische Mitte der Gesellschaft zurückzugewinnen? Und die übrigen noch fester an die demokratischen Werte dieser Mitte zu binden? Schaut man auf das inzwischen feststehende ministerielle Personal, schwindet die Zuversicht, dass das gelingen könnte. Zumindest was die CDU/CSU-Riege angeht, handelt es sich bei vielen um rechte Lobbykraten, die die „Mitte“ eher doch noch weiter nach rechts verschieben könnten.
Da die Ministerinnen und Minister aber nicht einfach tun und lassen können, was sie wollen, sondern an den der neuen Regierung zugrundeliegenden Koalitionsvertrag gebunden sind, – besteht da nicht wenigstens die Hoffnung, dass sich mit dem alles „zum Guten“ wenden ließe? Welch frommer Wunsch! Von einem Aufbruch zu frischen ökologischen und sozialen Zielen, der den „Menschen im Lande“ die Vorstellung einer „gut“ funktionierenden Gesellschaft geben könnte, kann in diesem Vertrag nicht die Rede sein. Eher von einer visionslosen Krisenverwaltung, die alles beim Alten lässt, angefangen mit Zugeständnissen an die fossile Lobby (Pendlerpauschale) bis zum Verzicht einer Reform der Erbschaftssteuer. Von „Wegregieren“ nirgends eine Spur!
„Dass es ‚so weiter‘ geht, ist die Katastrophe“, hat der Philosoph Walter Benjamin einmal gesagt. Das gilt auch fürs Regieren. Wenn man den Stillstand fortschreibt, kann– trotz Reform der Schuldenbremse – schwerlich etwas „Gutes“ erreicht werden. Und nur damit wäre die Gesellschaft im Gleichgewicht, also in der Mitte, zu halten.
WDR3 Mosaik 6. Mai 2025