Wasserburgen in NRW. Folge 2: Burg Vischering im Münsterland

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Die schöne Renaissance-Burg Vischering im Münsterland ist ein gutes Beispiel dafür, warum es in unserem Land NRW überhaupt so viele Wasserburgen gibt. Denn die Stadt, Lüdinghausen, an der Burg Vischering liegt, kann gleich mit drei Wasserburgen aufwarten: Und das hat wiederum damit zu tun, dass das Flüsschen Eder mit seinen Nebenarmen so fleißig durch die Stadt mäandert, dass den mittelalterlichen Burgbauern gar nichts andres übrig bleibt, als ihre Burgen mit einem wehrhaften Wassergraben – in Westfalen sagt man dazu Gräfte – zu umgeben. Überdies ist Burg Vischering ein gutes Beispiel dafür, wie man hierzulande mit dem Kulturerbe Wasserburg umgehen kann. Der Kreis Coesfeld hat die Burg von ihren adligen Besitzern gepachtet, sie in den 1970er Jahren sorgfältig restaurieren lassen – und ein Kulturzentrum daraus gemacht: In der sogenannten Vorburg finden regelmäßig Konzerte und Lesungen statt. Die Hauptburg beherbergt das Münsterlandmuseum, das mit einem reichhaltigen Mitmach- und Workshop-Programm zur Einführung in die mittelalterliche Welt einlädt.

Das ist die Stever, die aber ganz viele Stever-Arme hat, die sich hier durch die Stadt schlängeln und eben eine wasserreiche Stadt aus Lüdinghausen machen.

Henriette Fickers, die Leiterin der Kulturellen Bildung auf Burg Vischering, erklärt im Inneren der Burg den Lauf des Flusses Stever in und um die Stadt Lüdinghausen.

Es ist ja bekannt als die Stadt der Wasserburgen. Und wir haben hier ein großes Modell von der Stadt Lüdinghausen, wo man sich das mal angucken kann. Hier sieht man, eine kleine, beschauliche Stadt, aber umgeben von einmal der Burg Vischering, der Burg Lüdinghausen und der Burg Wolfsberg.

Wo es viel Wasser gibt, liegt der Bau einer Wasserburg nahe. So auch bei Burg Vischering, die um 1580 in ihrer heutigen Renaissance-Gestalt errichtet wurde. Doch der sie umgebende Wassergraben – in Westfalen Gräfte genannt, hat nicht nur die gemeinhin bekannte Funktion, Feinde von der Erstürmung der Burg abzuhalten.

Die Burg Vischering steht auf einem Fundament, das von Holzpfählen getragen wird, man kennt das vielleicht von Venedig, der Lagunenstadt: Das Wasser muss immer ein bestimmtes Level haben, um die Holzpfähle zu umschließen, damit diese nicht anfangen zu verrotten und das Fundament wegbricht.

Jon Wiggermann, Kunsthistoriker und Volontär bei der Museumsleitung Burg Vischering.

(Jon Wiggermann) In den 1920er Jahren gab es Dürreperioden, wo der Wasserstand der Gräfte abgesunken ist und das Fundament an die Luft gekommen ist und entsprechend auch die Holzbalken. Die Holzbalken sind langsam verrottet und das Fundament hat angefangen zu bröckeln. Als Gegenmaßnahme wurden Stahlträger mit Beton in das Fundament eingebaut. – Es gibt noch Stellen, wo das originale Fundament vorhanden ist und damit diese Teile auch weiter geschützt sind, muss das Wasser auch einen bestimmten Stand haben.

(Henriette Fickers) Wir überwachen den Wasserstand immer ganz minutiös und falls es dann doch zu sehr abfallen kann, kann man von der Stever noch zusätzlich Wasser einspeisen.

Burg Vischering wurde im 13. Jahrhundert als Trutzburg der Bischöfe von Münster erbaut und von adligen Truchsessen verwaltet und bewirtschaftet. Im Westfälischen wird aus dem Amtstitel Truchsess das Wort Droste. Und diesen Namen tragen auch noch die heutigen Besitzer der Burg: Die Familie Doste zu Vischering. Die Burg hat sie dem Kreis Coesfeld verpachtet. Der nutzt die in den 1970er Jahren vollständig restaurierte und 1986 unter Denkmalschutz gestellte Anlage als Kultur- und Bürgerzentrum.

(Jon Wiggermann) Die Burg Vischering ist sehr interessant aus dem kunsthistorischen Blick, da sie den Übergang von der mittelalterlichen Architektur zur Renaissance-Architektur, zur Schloss-Architektur, sehr schön darstellt.

Denn 1521 fiel die mittelalterliche Burg fast vollständig einem Brand zum Opfer, wurde aber bis 1580 wieder aufgebaut.

(Jon Wiggermann) Man hat hier noch die Grundrisse einer mittelalterlichen Burg, die sehr gedrungen und sehr organisch sich entwickelt hat im Laufe der Jahrzehnte, verbunden mit den Elementen der Renaissance: D.h. große Fenster und natürlich auch Gebäude, die höher sind als die Verteidigungsmauern. Und damit im Verteidigungssinneren gar nicht mehr so viel Sinn ergeben und hier eben zur Repräsentation gebaut wurden und weniger zur Verteidigung.

Während in der sogenannten Außenburg Veranstaltungsräume für ein vielfältiges Kulturprogramm und ein Café untergebracht sind, beherbergt das Innere der Hauptburg das Münsterlandmuseum. Das wartet im Untergeschoss mit einem reichen Mitmach-Angebot für Familien, Kinder und Schulen auf und führt vom Kochen übers Bierbrauen bis zum Ritterlager ins mittelalterliche Leben ein. In den Räumen des Obergeschosses können die Besucher außerdem eine Ausstellung zur Geschichte der Burg selbst besichtigen.

(Besucherin) Natürlich sehr beeindruckt! (lacht) Eine sehr tolle Atmosphäre, tolle knarzende alte Fußböden, wunderschöne alte Gemälde, schön bemalte Decken – finde ich auch sehr schön und sehr originell.

Vieles im Inneren erinnert natürlich auch daran, dass man hier in einem Wasserschloss lebte, von einer Gräfte umgeben war, in der sich Karpfen tummelten: Fische, denen die Burg nicht nur ihren Namen verdankt, die man aber auch besonders zur Fastenzeit gerne aß.

(Henriette Fickers) Jetzt stehen wir in einem der neueren Teile der Burg, in der Ausflucht – Erker kann man auch dazu sagen. (lacht) Ja, das war die Toilette, das war der Abtritt. (lacht) Und da führte dann das, was man hinterlassen hatte, natürlich direkt in die Gräfte rein. 

(Jon Wiggermann) Ja, Kreislauf des Lebens. (alle lachen) Das, was in der Gräfte landet, wird von den Fischen gegessen und die Fische wieder von den Bewohnern.

WDR3 Mosaik 12. August 2025