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Schloss Borbeck im Essener Stadtteil Borbeck hat mit einigen der Wasserschlösser in Westfalen und speziell denen im Ruhrgebiet eine Gemeinsamkeit: So wie im benachbarten Horst oder in Gladbeck Schloss Wittringen nahmen die Bürger bereits im frühen 20. Jahrhundert das Schloss in Besitz, kauften es von den adligen Vorbesitzern, die die Anlagen ohnehin nicht bewohnten und oft verwahrlosen ließen. Darüber hinaus hat das überaus prächtige, am Rande eines weitläufigen Parks gelegene Schloss Borbeck aber noch die historische Besonderheit, dass es den größten Teil seiner Geschichte ausschließlich in der Hand von Frauen war: Bis 1803 war es der Sitz der Fürstäbtissin des Essener Stifts, einer Landesfürstin mit Sitz und Stimme im Deutschen Reichstag. Zusammen mit ihren Stiftsdamen entfalteten die Fürstäbtissinnen auf Borbeck ein reiches kulturelles, vor allem musikalisches Leben. Die Bürger von Essen setzten diese Tradition fort, indem sie einen Teil der Folkwang-Musikschule im ehemaligen Wirtschaftsgebäude von Schloss Borbeck unterbrachten.
(Birthe Marfording) In der Hörstation, in der wir gleich hineinhören werden, da wird die Oper „Talestri“ gespielt, eine Oper, die die Schwägerin unserer letzten Fürstäbtissin selbst komponiert hat und Maria-Kunigunde hat bei der Uraufführung dieses Stückes selbst mitgewirkt als Sängerin und auch am Klavier.
Musik wird traditionell ganz groß geschrieben in Schloss Borbeck. Mit einigem Stolz führt Birthe Marfording vom Kulturzentrum des Essener Schlosses durch die historische Dauerausstellung des prächtigen Haupthauses.
Eine Besonderheit hier in diesem Haus, fürs gesamte Ruhrgebiet zumindest: Wir haben eine Klop-Orgel hier vor Ort, – und eine Klop-Orgel ist eine Orgel, die ausschließlich Holzpfeifen hat.
Im Haupthaus des Schlosses Borbeck residierten bis 1803, bis zum Ende des Römischen Reiches Deutscher Nation, die Fürstäbtissinnen des Essener Reichsstiftes, eines kleinen, souveränen Fürstentums von der Größe Liechtensteins. Die Fürstäbtissinnen hatten Sitz und Stimme im Reichstag, wählten also auch den Deutschen Kaiser.
(Birthe Marfording) Am Haupteingang zum Schloss Borbeck, unter dem Wappen unserer vorletzten Fürstäbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach. Das Schöne: Es zeigt eigentlich die doppelte Macht, die die Dame hatte, nämlich das Schwert für die Weltliche Macht und den Krummstab, den Bischofsstab für die geistliche Macht, die Frauen hier hatten. Und das waren insgesamt 50 Frauen in der Vergangenheit gewesen, die dieses Stift Essen hier geleitet haben. Es waren weltliche Damen, das ist ganz wichtig: Sie hatten weltliche Funktionen, sie konnten sogar heiraten.
Die Bedeutung der Frauen hier im Schloss Borbeck konnten wir deutlichen machen, indem wir in diesem Jahr die Anerkennung vom Land NRW bekommen haben als „Frauenort“.
Anja Herzberg, die Leiterin des Kulturamtes der Stadt Essen.
(Anja Herzberg) Was uns natürlich sehr, sehr gefreut hat, weil wir damit das Leben und das Wirken dieser visionären Frauen, die mit großer Weitsicht politisch und auch wirtschaftlich, religiös und auch in der europäischen Politik verankert, ihr Geschick gelenkt haben von hier aus. Die Äbtissinnen haben mit großer Weitsicht und viel diplomatischem Geschick dafür gesorgt, dass Schloss Borbeck Bestand hatte, ausgebaut wurde und sich auch zu einem Ort der Ausbildung des europäischen weiblichen Hochadels entwickelt hat, wo dann Frauen adäquat ausgebildet wurden.
Die Musik-Tradition auf Schloss Borbeck wird nicht nur durch die regelmäßigen Konzerte im akustisch herausragenden Konzertsaal des Haupthauses, sondern auch im früheren Wirtschaftsgebäude fortgesetzt: Wo früher aus den Ställen das Muhen der Kühe und Wiehern der Pferde schallte, tönt heute aus vielen, hochprofessionell eingerichteten Räumen Musik, denn sie beherbergen…
(Anja Herzberg) …die Folkwang-Musikschule mit verschiedenen Sparten, – der Musik-Part ist natürlich sehr stark vertreten mit Fachräumen für diverse Instrumente, darüber hinaus auch einen Bereich der Bildenden Kunst, wir haben hier auch noch weitere Kreativ-Kurse: Zeichenkurse, Akt Kurse, Fotografie Kurse, – also ein ganz breites Spektrum kultureller Weiterbildung.
Selbstverständlich wird hier aber auch, wie in den meisten Wasserschlössern Nordrhein-Westfalens, Hochzeit gefeiert.
Ich bin die Bräutigam-Mutter und ich denke, wir haben das sehr bewusst gemacht. Denn das ist eine tolle Kulisse und auch ein bisschen Heimat.
Zur Heimat haben sich die Essener Bürger Schloss Borbeck übrigens selbst gemacht…
(Birthe Marfording) Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1942/43 ist Schloss Borbeck an die Stadt Essen gegangen und es war damals tatsächlich der Wunsch der Bürger gewesen, dieses Schloss in Besitz zu nehmen und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Bürgerwille artikulierte sich in vielen Versammlungen in der damaligen Zeit. Was machen wir mit unserem Schloss? Es hieß tatsächlich: Mit unserem Schloss. Das Schloss war „unser Schloss“, das ist ganz wichtig gewesen, insbesondere für die Borbecker Bevölkerung, die ja immer hier draußen vor der Türe gestanden hatte und nur von außen in das Schloss hineinschauen durfte, durch Zäune hindurch, über Mauern hinweg.
WDR3 Mosaik 14. August 2025