Der Easy Rider von Brilon

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Nach einer ganzen Reihe von Jugendstudien über die jetzige „Gen Z“ erscheint heute auch eine der ADAC-Stiftung, die gemeinsam mit dem SINUS-Institut und der Universität Duisburg-Essen sowohl die Haltung dieser Generation zu Fragen der Mobilität wie ihr praktisches Verkehrsverhalten untersucht hat. Auch sie konstatiert wie die vorangehenden Studien, dass sich der Blick dieser Generation weg von der globalen Klimakrise hin zur pragmatischen Komfortzone gerichtet hat.

Jugend und Mobilität sind ja eigentlich Synonyme, denn das Kennzeichen von Jugend ist vor allem ihr Bewegungsdrang. An der Frage, wie und womit sie sich aber am liebsten bewegt, lassen sich allerdings zum einen Hinweise auf ihre aktuelle Mentalität, zum anderen auf die gesellschaftliche Zukunft finden. Fängt man bei der Mentalität an, so gab es in ferner Vergangenheit einmal eine Generation, in der sich männliche Heranwachsende mit Vorliebe durch lange Haare und das Herumrasen mit frisierten Mopeds definierten. Zu denen zählte sich auch der jetzige Bundeskanzler Friedrich Merz, zumindest brüstete er sich damit. Bis dann der „Spiegel“ im Jahr 2000 herausfand, dass das so nicht stimmte und der aufstrebenden CDU-Politiker sich gern selbst stilisierte. „Easy Rider in Brilon“ nannte er die entsprechende Enthüllungsstory.

In der Studie der ADAC-Stiftung zur Mobilität junger Menschen kommen keine frisierten Mopeds vor. Wie viele andere Jugendstudien dieses Jahres attestiert auch sie dieser Generation bei allem jugendspezifischen Optimismus ein „hohes Grad an Enttäuschung und Resignation“: „Wandel wäre gut, aber er kommt ja nicht“. Aus dieser Frustration, schlussfolgert die Studie, entspringe in der „Gen Z“ kein Protest wie in vorherigen Generationen, sondern (Zitat) „eher ein Rückzug ins unmittelbare Umfeld und auf persönlich Bedürfnisse.“

Hinsichtlich der Mobilität erkenne diese Generation zwar auch den Zusammenhang zwischen Mobilitätsverhalten und Klimaschutz. Dennoch sehe sich nur eine Minderheit persönlich verantwortlich. An erster Stelle stehe für sie, dass Verkehrsmittel schnell, verlässlich, günstig und flexibel sind. Dass sie aber auch umweltfreundlich sein sollen, spielt nur für 12 Prozent der jungen Menschen eine Rolle. In der Gesamtbevölkerung sind es dagegen 15 Prozent! Auch hat die Gen Z wenig Probleme mit dem Flugzeugfliegen, – 37 Prozent verreisen mit dem Flieger, – mehr als jede andere Altersgruppe, jung und mobil eben.

Zu ihrer Ehrenrettung muss man jedoch erwähnen, dass sich immerhin 53 Prozent der Jugendlichen moralisch verpflichtet fühlen, umweltfreundliche Verkehrsmittel zu nutzen. Ob die Moral aber für sie auch im Alltag eine Rolle spielt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hier regiert vor allem Pragmatismus, man greift zu dem, was eben am schnellsten und günstigsten ist, zur Not also auch eben das Auto. – Wobei allerdings klimafreundliches Fahren wie mit Car-Sharing, aber auch mit E-Scootern und Leihrädern wesentlich beliebter ist als in der Gesamtbevölkerung.

In gewisser Weise denkt und verhält sich die Gen Z in Bezug auf die Mobilität und die von vielen ersehnte klimafreundliche Mobilitätswende kaum anders als die Mehrheit der Bevölkerung. Nämlich eher zurückhaltend und pragmatisch. Rebellisch, wie der Easy Rider von Brilon einst vorgab, es in seiner Jugend gewesen zu, – so richtig rebellisch kann man sich diese Jugend kaum vorstellen.

WDR3 Mosaik Zwischenruf vom 20. November