Der ESC: Wieder einmal ein Israel-Boykott

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Heute und morgen will die European Broadcasting Union (EBU), der Dachverband der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die den weltweit populären Musikwettbewerb ausrichtet, bei einer Sitzung in Genf entscheiden, ob Israel teilnehmen kann. Für den Fall, dass die Mehrheit der Mitgliedsverbände dies bejaht, haben bereits andere EBU-Mitgliedsverbände, darunter Spanien, die Niederlande und Irland, angekündigt, den nächsten ESC in Wien boykottieren zu wollen. Israel nimmt an dem Wettbewerb, der erstmals 1956 als Grand Prix Eurovision de la Chanson veranstaltet wurde, seit dem Jahr 1973 teil. Vier Mal gewannen israelische Sängerinnen und Sänger den ESC. Spanien, das seit 1961 teilnimmt, war hingegen nur zwei Mal siegreich, 1968 und 1969.

Man kann zum European Song Contest ESC stehen wie man will, – es wäre schade, wenn es ihn nicht mehr gäbe. Dass dort nicht immer auf allerhöchstem Niveau gesungen wird, – geschenkt. Aber dass es sich dabei um absolut lustige und spannende Familienunterhaltung handelt, ist unbestritten. Und dass mit ihm, wie Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sagt, ein Fest der internationalen Verständigung und kulturellen Nähe gefeiert wird, ist ebenso unumstritten.

Wenn der europäische Dachverband der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entscheiden sollte, dass Israel – wie seit 1973 – mitmachen darf und daraufhin einige der teilnehmenden Länder, allen voran Spanien, den Wettbewerb boykottieren sollten, ist seine Existenz gefährdet. Denn durch ihren Rückzug würde nicht nur die finanzielle Basis des ESC zerbröseln. Auch der Rückhalt beim internationalen Fernseh-Publikum, das Rückgrat dieser Veranstaltung, knickte ein.

Wäre der ESC eine in erster Linie politische Veranstaltung, ließe sich über die Sinnhaftigkeit bzw. die moralische Berechtigung eines Boykotts streiten. Dann wäre der Boykott ein moralisches Statement, das möglicherweise Einfluss auf das Handeln des Boykottierten haben könnte. Doch schon die Begründung der Boykottwilligen steht auf wackeligen Füßen: Sie bezichtigen Israel eines Völkermordes an den Palästinensern. Das behaupten zwar einige, ist aber keineswegs internationaler Konsens. Eine so umstrittene Behauptung kann nicht Grundlage politischen Handelns sein.

Und selbst wenn Israel in Gaza Kriegsverbrechen beginge, – es ist ein Krieg der israelischen Regierung und kein Krieg der Künstlerinnen oder Künstler, die im nächsten Jahr für Israel beim ESC auftreten werden – oder auch nicht. Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet israelische Künstler allein dafür bestraft werden sollen, dass sie Israelis sind. Geht man auch so mit amerikanischen Künstlern um, nur weil sie aus einem Land stammen, in dem gerade ein Autokrat im großen Stil Menschenrechte verletzt? Der Doppelstandard, der hier angelegt wird, ist verräterisch und weist zurück auf die Tradition des „Kauft nicht bei Juden!“

Künstler für das Handeln ihrer Regierung zu bestrafen, ist Wahnwitz. Wie alle die jüngsten Ausladungen von Künstlern oder Intellektuellen, nur weil sie Israelis sind, reiner antisemitischer Wahnwitz sind. – Die spanischen ESC-Boykotteure und alle, die gewillt sind, ihnen zu folgen, sollten sich schämen.

WDR3 Mosaik 4. Dezember 2025