In sage und schreibe sieben Bundesländern und mit einer Polizeistreitmacht von über 800 Beamten ist der Staat gegen die größte Gruppe der sogenannten „Reichsbürger“ vorgegangen, das sogenannte „Königreich Deutschland“. Dessen selbsternannte Staatsoberhaupt, der von seinen Anhängern ehrfürchtig „Imperator Fiduziar“ genannte 59jährige Karatelehrer Peter Fitzek wurde neben anderen „Führungsmitgliedern“ festgenommen und nach Karlsruhe zum Bundesgerichtshof geflogen. Innenminister Alexander Dobrindt begründete das damit, dass die Vereinigung Fitzeks mit der Ausrufung eines „Gegenstaates“ und dem Ausbau wirtschaftskrimineller Strukturen die „Rechtsordnung untergraben“ habe. – Ist das Symbolpolitik – oder wie gefährlich sind die „Reichsbürger“ tatsächlich?
Im Jahr 1986 nahm der Ton-Stein-Scherben-Sänger Rio Reiser mit seinem Solo-Debüt-Album ein Stück deutscher Folklore auf, das seitdem, wenn auch je nach Bedarf geändert, immer und überall, zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen geschmettert wird. So oft, dass man von einer zweiten deutschen Nationalhymne sprechen könnte. Es heißt „König von Deutschland“., und der Sänger referiert, was er alles machen würde, wenn er eben König von Deutschland wär.
Es sind, mit Verlaub, Spießbürgerträume, satirisch in zauberhaften Kinderwünschen gekleidet – wer würde da nicht mit einstimmen? Zumal sich hinter dem kindischen Programm ein schmackiger Spott auf die politischen Verhältnisse verbirgt, – etwa, wenn Rio damals sang: „Ich wär‘ schicker als der Schmidt/Und dicker als der Strauß.“ – Die vielen satirischen Varianten, die es dazu nachher gab und gibt, sind Beweis für den Folklore-Charakter des Liedes. – Wer aber hätte je geglaubt, dass irgend jemand einmal wirklich den Wunsch ernst nähme, König von Deutschland zu sein? – Nur Idioten, sollte man glauben.
Tatsächlich lesen sich die Programme der selbsternannten Gruppen „Königreich Deutschland“, „Germanitien“, „Freistaat Preußen“ oder „Exilregierung Deutsches Reich“ tatsächlich wie von Hirnamputierten erbrütet: Deutschland, dessen Staat heute bloß „eine Firma“ sei, solle nach dem Vorbild und in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1871 „reaktiviert“, die gegenwärtigen demokratischen Strukturen beseitigt werden. Dazu müssten Teile von Polen, Russland, Litauen und Frankreich dem „Reich“ wieder einverleibt werden. Sollte das nicht freiwillig geschehen, müsse man Wladimir Putin zur Hilfe rufen.
Wenn es sich nur um die feucht-reaktionären Träume seniler Revanchisten handelte, könnte man sie in ihren selbsternannten Königreichen getrost weiter spielen lassen, wo sie sich Hermelinmäntel umlegen, eine eigene Währung und eigene Pässe drucken. Doch wenn sich ihre Träume in konkrete Pläne verwandeln, wenn sie sich bewaffnen und Entführungspläne von Politikern – etwa von Karl Lauterbach – schmieden, sollte man sie tatsächlich ernst nehmen. Immerhin gibt es laut Verfassungsschutz mehr als 23.000 Deutsche, die, wenn auch in oft miteinander verfeindeten Gruppen, sich als „Reichsbürger“ empfinden. Jeder Zehnten von ihnen soll – wieder laut Verfassungsschutz – gewaltbereit sein.
Zwar gelten die jetzt festgenommen Mitglieder des „Königreichs Deutschland“ nicht als „besonders waffenaffin“, aber ihre Vereinigung als die größte und wohl einflussreichste unter den „Reichsbürgern“. – Gegen sie mit großem Polizeiaufgebot vorzugehen ist kein Schaulaufen und keine Symbolpolitik. Denn diese „Könige von Deutschland“ sind keine Spinner, sondern Feinde unserer Demokratie. Auch wenn sie sich als Narren verkleiden. – Sahen die in komischen braunen Uniformen steckenden SA-Leute, die vor hundert Jahren durch deutsche Straßen marschierten, nicht auch wie Narren aus?
WDR3 Mosaik 14. Mai 2025