Von Panthern und Bienen

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Ende letzter Woche trafen sich die Agrarminister der Länder zu ihrer turnusmäßigen Sitzung. Auf ihrer Agenda standen eine Menge wichtiger Tagesordnungspunkte, ganz obenan eine neue, den EU-Nitratrichtlinien entsprechende Gülleverordnung. Obwohl die Kommission Deutschland seit langem schon zu einer Verschärfung drängt, konnten sich die Minister sich nicht entschließen, der vorgeschlagenen pauschalen 20-Prozent-Kürzung zuzustimmen. Sie verschoben das Problem. Wieder einmal. Dafür waren sie aber alle einstimmig dafür, dass Wildtiere in Zirkussen verboten werden sollen.

„Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe/so müd geworden, dass er nichts mehr hält./Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe/und hinter tausend Stäben keine Welt.“ Den im idyllischen pfälzischen Landau tagenden Agrarministern werden diese Verse Rainer Maria Rilkes über den Panther im Jardin des Plantes durch den Kopf gegangen sein, als sie den einstimmigen Beschluss fassten, Wildtiere im Zirkus zu verbieten. Denn es gibt wohl kaum einen traurigeren Anblick als den eines gefangenen wilden Tieres. Und da außerdem bekannt ist, dass Tiger, Bären und Elefanten in den meisten der 300 durch Deutschland ziehenden Wanderzirkusse nicht gut behandelt werden, ist ein solches Verbot eine überaus populäre Forderung. Der Schauspieler Hannes Jänicke beispielsweise geht damit seit langem auf die Straße. Doch was haben deutschen Landesminister mit Zirkustieren zu tun? Die Antwort ist schlicht: Nichts!

Zuständig für ein solches Verbot wäre allein der Bund. Da das auch Landwirtschaftsminister wissen, stellt sich die Frage, warum sie trotzdem einen solchen Beschluss fassten, der nichts weiter als ein gut gemeinter Appell sein kann. Ein Blick auf die übrige Agenda der Minister legt den Verdacht nahe, dass es ihnen wohl eher um Imagepflege ging. Und darum, davon abzulenken, dass ihnen in Bezug auf die heimischen wilden Tiere offenbar die Phantasie fehlt scheint. Denn die leiden nicht nur, die gibt es gar nicht oder schon bald nicht mehr. Kiebitze, Feldlerchen, Rebhühner und Wiesenpieper sind von deutschen Feldern verschwunden. Wenn denn von Feldern überhaupt noch die Rede sein kann angesichts öder Agrarwüsten mit toten, nur noch durch massive Düngung fruchtbar zu machender Böden.

Eben um deren Erhalt aber ging es in der Hauptsache beim Treffen der Agrarminister. Um den Erhalt der Agrarwüsten mittels der Gülle, die aus Massentierhaltungsbetrieben stammt. Wieder einmal wehrten die Minister die Umsetzung einer strengeren EU-Nitratverordnung ab und schoben eine entsprechende Novellierung der deutschen Düngeverordnung auf die lange Bank. Die weitere Nitratverseuchung des Grundwassers und der Gewässer in Kauf nehmend. Und auch das Insekten- und Bienensterben scheinen sie in Kauf nehmen zu wollen und kritisierten das EU-Verbot von bienenschädigenden Pflanzenschutzmitteln. Ganz im Einklang mit der Bundesagrarministerin übrigens. Die tritt zwar gerne als Bienenschützerin auf, hat aber gerade durch das ihr unterstehende Bundesamt für Verbraucherschutz 18 neue, Insekten killende Ackerschutzgifte zugelassen.

Es fragt sich, wozu Landwirtschaftsminister überhaupt da sind. Außer natürlich dafür, als Sachwalter der Agrarlobby zu dienen. Mit ihrem Appell für das Tierwohl im Zirkus haben sie jetzt aber möglicherweise einen Richtungswechsel angedeutet. Vielleicht, so könnte man hoffen, war das ja doch nicht bloß Ablenkung und Imagepflege, sondern ein Signal, dass sie sich in Zukunft vielleicht auch Gedanken über andere Lebewesen machen wollen: Diejenigen, die durch die bisherige Art, Landwirtschaft zu betreiben, vernichtet, aber auch die, die durch sie gequält und, wie Rilkes Panther dazu gezwungen werden, sich im „allerkleinsten Kreis“ zu drehen.

WDR 3 Mosaik 15. April 2019